Martha Wenger (24. Mai 1891- 7. August 1989)

In Kriens kursieren selbst heute noch Gerüchte über die Stifterin des Amlehngartens. Sie sei Zahnärztin oder Juristin gewesen, habe ein Kind von einem Schwarzen gehabt, und am Ende ihres Lebens sei sie gar von der Sozialhilfe abhängig gewesen. Wieder andere erzählen, nicht sie sei die Stifterin des Amlehngartens, sondern ihr Vater. An Gerüchten haftet oft Wahres und gleichzeitig auch viel Erfundenes.

Martha Wenger war ein Original, ihre Auftritte waren ungewöhnlich: Sie war klein und trug schwarze, zerschlissene Kleider. Sie lebte ganz alleine und liess kaum jemanden in ihr Haus. Je älter sie wurde, desto krummer wurde ihr Rücken. Die Kinder klingelten an ihrer Haustüre, riefen «Hexe, Hexe» und rannten davon. Marthas Leben verlief nicht nur deshalb tragisch.

Das Kind wohlhabender Eltern

Martha Wenger war das einzige Kind von Ferdinand und Amanda Wenger-Christen. Sie war aufgeweckt und wissbegierig. Das Lernen fiel ihr leicht. An der Minerva in Zürich absolvierte sie die Matura. Es folgte ein  Studium in Zahnmedizin in Genf, München und Zürich, Assistenzjahre in Norddeutschland. Das letzte Semester an der Universität Zürich verliess sie abrupt. Vermutlich zeigten sich in jener Zeit erste Anzeichen psychischer Probleme.

Zum Drama ihres Lebens wird der frühe Tod der Mutter. Martha erbte ein grosses Vermögen und Vater Wenger musste der Tochter einen Teil seines Reichtums abtreten. Ferdinand war zwar ein wohlhabender Mann, doch sein Geld steckte in Wald- und Landanteilen. Den Reichtum hat er mit seinen eigenen Händen erwirtschaftet, und nun sollte ihn die Tochter schon zu Lebzeiten beerben? Er war überzeugt, dass sie dieses Erbe „verdummen“ würde. Denn seine Tochter hatte sich in den letzten Jahren merkwürdig verändert…

Verbrüderung

Ferdinand Wenger war in Kriens ein hochangesehener Holzhändler und Grundbesitzer, und er war ein Tatmensch. Als Mitglied der Finanzkommission kannte er, wer in der Gemeinde Rang und Namen hatte. Er hatte eine bestechende Idee, wie er weiterhin über das gesamte Familienvermögen verfügen könnte. Er jammerte beim Gemeindepräsidenten und beim Gemeindeschreiber über seine kranke Tochter. Er erzählte, wie sehr er sich seit Jahren um sie kümmere und wie gefährdet das Geld in ihren Händen sei. Die Männer verbündeten sich und stellten die Tochter unter Vormundschaft.

Ein Pyrrhussieg

Da hatten die drei Männer allerdings die Rechnung ohne Martha Wenger gemacht. Sie legte beim Regierungsrat des Kantons Luzern Rekurs ein und erhielt Unterstützung. Der Krienser Gemeinderat verweigerte die Anerkennung dieses Entscheids – gleich mehrere Male. Martha Wenger gewann zwar den Kampf: Die Vormundschaft wurde in eine sogenannte «Beiratschaft» umgewandelt. Aber es war ein Pyrrhussieg: Sie war zwar nicht entmündigt, aber in ihrer Handlungsfreiheit sehr eingeschränkt. Nach sieben langen Jahren kam sie frei. Sie war inzwischen vierzig Jahre alt. Das Studium hatte sie nie wieder aufgenommen, und die Zeit einer Familienplanung war aus biologischen und wohl auch aus sozialen Gründen abgelaufen.

Stifterin des Amlehngartens

Vater Alfred Christian Wenger starb 1947. Er vermachte seine grössten Landanteile der Stadt Kriens, darunter die Liegenschaft Unterhaus. Die Nutzniessung überliess er seiner Tochter bis zu deren Tod. Er vermachte ihr u. a. das Grundstück mit dem «Chalet Friedau». Martha Wenger lebte dort zurückgezogen und wurde zur «sonderbaren» Frau. Mit 98 Jahren starb Martha Wenger einsam im Altersheim Zunacher. Zuvor hatte sie die Stiftung Amlehngarten errichtet, ein grosszügiges Geschenk an die Krieserinnen und Kriensern.